Die verpassten Chancen der LSAP.

Die verpassten Chancen der LSAP.

 

Bezugnehmend auf den Artikel vom 25/26 Januar 2020 aus « Analyse und Meinung » von Marc Hoscheid und Diego Velasquez betreffend die aktuelle Situation der LSAP, wird in diesem Artikel versucht werden zu untersuchen welche weiteren Ursachen für den schleichenden Untergang der Arbeiterpartei von Relevanz sind. Die von den beiden Wort-Journalisten vorgebrachten Argumente sind beileibe nicht kontradiktorisch auch wenn die beiden zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen.  

 

Marc Hoscheid bemerkt richtigerweise daß der Sozialist Alex Bodry mit dem Argument « die Pfaffen nicht wieder in die Regierungsverantwortung kommen zu lassen » viel zu kurz gegriffen hatte. Ein Feindbild zu definieren um zu dominieren mag kurzweilig klappen, aber es ist keine Option eine Idee (oder Ideologie) langfristig zu implantieren. Genauso wenig wird der Sozialismus überleben wenn er als einziges Feindbild den Kapitalismus als Gegner ausmacht. Hiermit beschränkt Bodry die Debatte auch auf die Gegenüberstellung von zwei Ideologien, die der  nicht modernen Katholischen Kirche und die des Sozialismus und lässt dem Wähler somit nur noch die Wahl zwischen « Speck und Schweinefleisch ». Denn beide könnten aus denselben historischen Gründen riskieren zu Auslaufmodellen zu werden. Schließlich sind die Anfänge des Sozialismus, als werdende politische Kraft in den Versprechen der Französische Revolution, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu suchen und bedeuten für die Bewegung der Sozialisten einen Aufbruch in eine neu zu gestaltende, gerechtere Gesellschaft. Auf dieser Seite wurde die Revolution also als Fortschrittsgeschichte empfunden und  auf der anderen Seite als gewaltige historische Verirrung. Diese ideologische Bi-Polarisierung und die daraus resultierende eingeschränkte Entscheidungsmöglichkeit  für die Wähler ( die CSV macht ähnliche Erfahrungen) ist aber beileibe nicht der einzige Grund für den Niedergang der LSAP in Luxemburg und auch in Europa. Wenn die LSAP sich weiter als fortschrittliche Kraft entfalten will muss sie den Begriff der Freiheit allumfassender definieren. Brüderlichkeit und Gleichheit tragen als universelle Werte zu einer besseren Gesellschaft bei und beinhalten mit Bestimmtheit eine deutliche und für die Sozialisten elementare Kapitalismuskritik. Nur der Begriff der Freiheit wird in diesem Kontext vermutlich zu wenig artikuliert und fehlt so als solide Basis für die Artikulation der beiden anderen Standbeine, der Brüderlichkeit und der Gleichheit. Das Konstrukt des hier praktizierten Sozialismus steht somit auf einem wackligen Fundament, dies umso mehr weil der Bewegung mit dem Ende des Industriezeitalters der Zement, in Form der traditionellen Arbeiterbewegung als Träger der Ideologie, abhanden gekommen ist.

 

Der deutsche Philosoph und Soziologe Axel Honneth, zum Beispiel, versucht den sozialistischen Freiheitsbegriff zu definieren indem er von einer « sozialen Freiheit » spricht. Er versucht einen Weg zu finden den historischen Begriff der liberalen Freiheit, die vor allem auf einem Verständnis der privaten und ökonomischen Freiheit beruhte, neu zu deuten und diesen Begriff zu erweitern. Er schlägt vor ein Freiheitsverständnis das im Grunde nur privaten Interessen diente, durch ein Freiheitsverständnis auf der Basis eines solidarischen Sich-Ergänzens ungezwungener Kooperation zu ersetzen. Das könnte als neue Basis für eine Wiederbelebung des sozialistischen Gedankens dienen. Es würde also bedeuten daß das neue « Links » das Konzept der Solidarität neu definieren müsste und dieses als gesamtgesellschaftliche und allumfassende ideologische und elementare Kraft in  das Zentrum aller Überlegungen stellen müsste. Aber genau dies wurde von Seiten der Sozialisten in Luxemburg und in Europa sträflich vernachlässigt. Die Quittung der Wähler ist verständlich. Wenn die Sozialisten dem Gespenst des sozialen Abstiegs nicht das Konzept der universellen Solidarität entgegensetzen und das zumal in Bereichen die die Bevölkerung konkret umtreibt, wie zum Beispiel Wohnungsbau oder Armutsrisiko, können sie lange über ideologische linke Ausrichtungen grübeln, sie machen sich als Alternative zum Kapitalismus überflüssig Denn, wenn der Graben zwischen Arm und Reich immer größer wird und die Armen immer  ärmer werden, könnte man davon ausgehen dass Linke Politik bei Wahlen gestärkt werden müsste. Dem ist aber nicht so, wie Diego Velasquez richtig feststellt. Ausserdem bemerkt er daß die Sozialisten Stimmen an ihrem wirtschaftlich rechten Rand an die Parteien der Mitte verloren. Das heißt, daß die Menschen Angst davor haben auf die Seite der Verlierer zu geraten und somit eher einem smarten Kapitalismus anhängen wollen, als daß sie sich, wegen des Fehlens einer starken Bewegung, solidarisch um das Gemeinwohl aller sorgen. Nun ist es aber so daß nicht allein diese inhaltlichen Fakten für die Wahldesaster der LSAP verantwortlich sind, sondern, auch, und dies zumal wegen unserer total mediatisierten Welt, deren Repräsentanten. Dies wurde auch deutlich von den beiden Wort-Journalisten erkannt. 

 

Sieht man sich das Führungspersonal der letzten 10 bis 20 Jahre der LSAP an, kommt man nicht umhin festzustellen daß diese Verantwortlichen entweder durch eine einseitige liberale Einstellung aufgefallen sind oder aber daß sie so austauschbar waren daß sie in irgend einer anderen Partei hätten aktiv sein können. Das Profil einer Partei schärfen bedeutet demnach nicht nur daß Visionen, genauso wie utopische Ziele beschrieben werden sollten, sondern auch daß, das Personal welches für diese Idee stehen soll auf der Höhe dieser Ambitionen ist um den Erwartungen der Wähler gerecht zu werden. Und das scheint eines der großen Probleme der Sozialisten zu sein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Beliebtheitswerte des Jean Asselborn, welcher in der öffentlichen Wahrnehmung als « Querdenker » auffällt und damit als Verteidiger der Schwachen, Sympathien und Hoffnungen in der Bevölkerung hervorrufen kann. Diese gelten aber seiner Person, aber nicht einer sozialistischen Partei welche das Prinzip der universellen Solidarität verteidigen müsste. Vor 11 Jahren hatte die sozialistische Partei mit der Diskussion um ein « Drittes wirtschaftliches Standbein » Hoffnung auf eine solidarischere Gesellschaft aufkommen lassen und es war das letzte Mal daß sie eine Utopie für eine gerechtere Welt in ihrem Wahlprogramm (2009) aufgenommen hat. Damals war sie in einer Regierung mit der CSV. Das in den Koalitionsvertrag eingebrachte Konzept wurde von der CSV mitgetragen und fand ihren Zuspruch. Zur Umsetzung des Konzeptes sollte die Solidarwirtschaft gefördert werden. Die Verantwortlichen der Sozialisten verloren aber sehr schnell jegliches Interesse an diesem Konzept und wandten sich wieder der oben erwähnten Begrifflichkeit der historischen liberalen Freiheit zu. Zu eigennützig war hier die Einstellung der Protagonisten um sich einer Idee vollständig zu öffnen und das Experiment « soziale Freiheit und Gerechtigkeit » zu begleiten, zu unterstützen und zu verteidigen.

 

Romain Biever

Präsident des « Institut Luxembourgeois de l’Economie Solidaire » (ILES)   

 

 

 

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