Zur Disziplin, Kontrolle und der Solidarwirtschaft in Luxemburg.

Das « Institut de l’économie solidaire Luxembourgeois » (ILES).

 

Zur Disziplin, Kontrolle und der Solidarwirtschaft in Luxemburg.

 

Eingangs sei gesagt, offiziell gibt es sie noch, die Solidarwirtschaft. Dan Kersch ist nicht nur der Minister für Arbeit-und Beschäftigung, sondern auch für die Sozial-und Solidarwirtschaft (SSW). Unter dem Titel « Kersch fordert schärfere Kontrollen » kommentiert das Tageblatt (16.12.2019) das Interview von Dan Kersch als « Invité vum Dag » von Radio 100,7 vom selbigen Tag.

 

Gesprochen wurde, unter anderem, über schärfere Kontrollen für die sogenannten Beschäftigungsinitiativen. Hierbei wurden ausschliesslich die in Luxemburg lokal aktiven « Centres d’initiative et gestion » ins Visier genommen. Es ging, genauer gesagt um zwei CIG, Syrdall und Differdingen, welche in den letzten Monaten für negative Schlagzeilen gesorgt haben.

 

Wir möchten in diesem Artikel nicht auf die Umstände eingehen die zu diesen Infragestellungen der Arbeit der beiden CIG’s geführt haben, aber wir möchten darauf hinweisen daß der Minister richtigerweise als Arbeits- und Beschäftigungsminister Stellung genommen hat. Und nicht als Minister für die SSW. Folglich bleibt festzustellen, daß die CIG ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik geworden sind und somit nicht mehr zur SSW gehören. Wie der Minister betont, sind die CIG Beschäftigungsinitiativen. Dont acte.

 

Als ILES und als Vorreiter zur Thematisierung der Solidarwirtschaft in Luxemburg möchten wir aber darauf hinweisen daß die Cig, laut Statuten, sich der konkreten Einführung der Solidarwirtschaft in Luxemburg verpflichten. Deshalb hat die Luxemburger Regierung im Jahre 2009 auch erstmals ein spezielles Ministerium für die Solidarwirtschaft eingeführt und somit den Weg freigemacht für eine gewaltige gesellschaftliche Veränderung im sozio-ökonomischen Bereich. Laut Regierungserklärung von 2009 war die Einführung eines dritten Wirtschaftspfeilers vorgesehen. Mit dem dritten Wirtschaftspfeiler war eine nicht profit-orientierte Ökonomie gemeint, komplementär zur Privat-und Staatswirtschaft. Dieser dritte Wirtschaftspfeiler sollte noch in derselben Legislaturperiode Realität werden.

 

Das Versprechen « Dritter Wirtschaftspfeiler » an die Wähler (siehe das Wahlprogramm der LSAP von 2009 », de roude Fuedem ») wurde nicht eingehalten. Vor dem Ende der Legislaturperiode platzte diese Regierung und diese Ambition wurde auch nicht weiter verfolgt. Bis heute ist die Diskussion und diese Piste, die einen öko(nomisch)-sozialen Paradigmenwechsel in unserer modernen Gesellschaft hätte herbeiführen können, nicht wieder aufgetaucht. Diese Ideen waren getragen worden von Akteuren wie der ASJ, dem OGB-L, dem OPE und den CIGL’s. Letztere sind  dann im Laufe der Jahre von lokal-solidarischen, innovativen Betrieben der Zukunft zu « Beschäftigungsinitiativen » mutiert (worden?). Soll man so denn nun auch den Standpunkt des neuen Arbeits- und Beschäftigungsministers verstehen, wenn er von den CIG’s spricht? Doch, ob er nun hiermit einen real existierenden IST-Zustand der CIG’s beschreiben will oder  eine, seit ein paar Jahren bestehende Trennlinie zwischen den Sozial-und Solidarwirtschaftlichen Betrieben und den « Arbeitsmarkt-korrekturbetrieben » aufrechterhalten will ist nicht unbedingt eine wichtige Frage. Das Resultat ist nämlich dasselbe. Die CIG’s sind zu « Beschäftigungsinitiativen » gemacht worden.

 

Die Aussage des Ministers in demselben Interview betreffend den Arbeitsbereich der Cig, die als  sogenannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme junge und alte arbeitslose Menschen zu arbeitsfähigen und dem « ersten Arbeitsmarkt » zuzuführende Arbeitskräfte formen soll, lässt nicht unbedingt darauf schliessen daß ein Wille existiert den solidarwirtschaftlichen Auftrag den sich die CIG gegeben haben in Betracht zu ziehen und zu prüfen. Und dies ist wirklich schade. Aus zwei Gründen:

 

Erstens, der vom Minister gebrauchte Ausdruck « erster Arbeitsmarkt » ist ein Anachronismus und wird in der neueren wissenschaftlichen Diskussion vermieden. Die Konotation zu einer Zweiklassengesellschaft und folglich einer Zweiklassenarbeit, ist zu evident. Diese Sichtweise verbaut zudem eine Öffnung der Projektionen zu moderneren und gerechteren Gesellschaften welche ebenso die soziale, wie auch die ökologische und die wirtschaftliche Dimensionen neu miteinander verbinden könnten.

 

Zweitens, wenn der Minister als Zuständiger für die Beschäftigung seine Einmischung in die Arbeitsweise der CIG und anderer Initiativen für Arbeit, legitim und für jeden sichtbar ist, so ist die gefühlte Abwesenheit des Ministers in seinem Ministerium für die SSW ebenso ein Faktum. Eine Erklärung hierfürkönnte sein, daß der Minister Kersch die Linie seines Vorgängers übernommen hat und  in Punkto SSW auf die angelsächsische Karte der « Social Entrepreneurs » setzt.  Dieser  Handlungsträger hat sich mit Hilfe der Politik der letzten Jahre in der ULESS (Union Luxembourgeoise de l’économie sociale et solidaire) durchsetzen können und gibt dort den Ton an. Dies auch im Namen der solidarwirtschaftlichen Betriebe, welche eigentlich ganz andere Zielsetzungen haben. Als Gegenspieler zur Solidarwirtschaft sind die « Social entrepreneurs »,  ein Akteur, der Ende des zwanzigsten Jahrhunderts Bedeutung erlangte und welcher dabei ist das traditionnell kritische Potential der ursprünglichen Vereinigungen ohne Gewinnzweck zu zerstören. Denn das Modell dieser neuen Gesellschaften postuliert ohne Wenn und Aber, daß es keine Alternative zur Marktwirtschaft gibt. Sondern, daß die sozialen- und ökologischen Ambitionen sich den Anforderungen der Gewinnerzielung und der Konkurrenz unterzuordnen haben um wirkungsvoll zu sein.

 

So wird auch die finanzielle Unabhängigkeit zum entscheidenden Credo dieser neuen Pseudo-SSW. Diese Sichtweise fördert nämlich den Gedanken daß, in diesem Kontext, in einer kapitalistischen Gesellschaft  Unternehmensgelder und deren Fluss als eher reines Gut angesehen werden, während öffentlichen Geldern im Sinne der Transfers ein eher schmutziger und mißbräuchlicher Makel angehaftet wird. So werden auch nicht ins System passende, innovative Betriebe automatisch zu Verdächtigen, genauso wie im Allgemeinen, alle Transferempfänger. In Anbetracht der hier diskutierten Problematik, wäre zu vermeiden daß verschärfte Kontrollen nicht dazu führen dürfen Ambitionen wie Ursprünglichkeit und Selbstbestimmung  zu beschneiden.

 

Es gilt, ein gewaltiges Potential an Demokratieverständnis zu bewahren.

 

Der Vorstand des ILES.

 

 

 

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